Aus dem Leben von Meister Kobayashi
In einem Interview, das 1984 in Thonon geführt stattfand, wurde Hirokasu Kobayashi gefragt: "Obwohl viele Meister bei O-Sensei gelernt haben, sind doch die Techniken von Meister zu Meister unterschiedlich, worauf ist das zurückzuführen?", er antwortete: "Da die Menschen unterschiedlich sind, ist auch das Aikido der einzelnen Menschen unterschiedlich."
In diesem Zusammenhang erzählte Kobayashi Sensei einmal: "O-Sensei sagte zu mir, er werde in Tokio kein Aikiken und Aikijo mehr unterrichten, die würden das sowieso nicht kapieren. Auch wenn ich Techniken verändert habe fällt das keinem auf, jeder macht die Technik wie gewohnt." Dies erklärt auch warum in manchen Aikido-Stilrichtungen, selbst im sogenannten "klassischen Aikido" (was immer das auch ist), kein Aikiken und Aikijo unterrichtet wird.
Als im April 1969 O-Sensei starb, war Kobayashi Sensei einer von vier Meister, die anwesend waren. Kurz vor seinem Tod hatte O-Sensei ein Gespräch mit Kobayashi Sensei geführt. In diesem Gespräch teilte O-Sensei ihm mit, er wisse, dass es Streitereien unter den Meistern gebe, meist wegen Neid und Macht. Deshalb solle Kobayashi Sensei diese Streitereien schlichten. Fünf Leute sollen zukünftig das Aikido zusammenhalten: Tohei Sensei, Ueshiba Sensei, Kobayashi Sensei, Tomiki Sensei und Shioda Sensei. Tohei solle Doshu sein und die Gesamtleitung übernehmen, K. Ueshiba und H. Kobayashi sollen Tohei unterstützen. Zu Tomiki und Shioda soll der Kontakt nicht abgebrochen werden, obwohl sie bereits vor längerer Zeit ihren eigenen Weg gingen. Doch nach dem Tode von O-Sensei waren aus irgendeinem Grund keinerlei schriftliche Aufzeichnungen zu finden. K. Ueshiba pochte auf seinen Familiennamen und wurde somit Doshu. Doch unter die Leitung von K. Ueshiba wollte sich keiner der anderen so richtig stellen.
So gaben sich Kobayashi Sensei und K. Ueshiba Sensei gegenseitig das Versprechen, die verschiedenen Meister (gemeint waren die damals ranghöchsten Großmeister) zusammenzuhalten. Das Verständnis klappte eine Zeit lang ganz gut. Doch die Ruhe währte nicht lange, auf Grund von zwischenmenschlichen Problemen und auch der Problematik K. Ueshiba - K. Tohei ging das Bündnis auseinander. Tohei verließ das Hombu Dojo und gründete seinen eigenen Verband und auch viele andere gingen ebenfalls diesen Weg. Den Auftrag, die Streitereien unter den führenden Meistern zu schlichten und das Aikido zusammenzuhalten, konnte Kobayashi Sensei somit nicht erfüllen. So ging auch er wieder nach Osaka um an den Universitäten und Hochschulen zu unterrichten und weiterhin nach Europa, um dort Lehrgänge abzuhalten wie es ihm sein Lehrer aufgetragen hatte. Einen eigenen Verband zu gründen, kam ihm weder in Japan noch in Europa in den Sinn. Im Gegenteil, als in Italien und in Polen ein "Kobayashi-Verband" gegründet wurde und Kobayashi Sensei dies erfuhr, wurde er zornig und untersagte die Verwendung seines Namens.
Er sagte, er mache Aikido, so wie er es von seinem Lehrer O-Sensei Morihei Ueshiba gelernt habe und auch dieser habe "seine" Kampfkunst Aikido und nicht Ueshiba-Aikido genannt. 1978 war Kobayashi Sensei das erste Mal in Deutschland und gab einen Aikido-Lehrgang in Rüsselsheim, 1979, dann in Nürnberg. Später folgten Köln, Marburg, München, Stuttgart, Tübingen, Bietigheim, Ludwigsburg, Oberstenfeld, Heilbronn als Lehrgangsorte. Von 1989 an, als 60-jähriger, kam er nur noch in den Sommermonaten auf Europatournee. Den letzten Lehrgang in Deutschland gab er im Juli 1996 in Oberstenfeld.
Als er 1997 in Aix-en-Provence einen Aikido-Lehrgang abhalten wollte, musste er auf Grund eines Schwächeanfalls in ein Krankenhaus eingeliefert werden und konnte dadurch den Lehrgang und auch die bevorstehende Tournee nicht abhalten. Die geplanten Lehrgänge in Mulhouse und in Oberstenfeld wurden von Sensei G. Savagnago abgehalten. Kobayashi Sensei flog zurück nach Japan und musste sich dort in Behandlung geben. Die Ärzte stellten einen wohl angeborenen Herzfehler fest, der auf Grund seiner stets äußerst guten Kondition und körperlichen Verfassung sich erst im Alter auswirkte.
Am 28.8.1998 verstarb Kobayashi Sensei...
... nachdem er vier Tage im Koma lag, an den Folgen sehr hohen Fiebers,
welches das sehr geschwächte Immunsystem nicht mehr bekämpfen konnte. Bereits Monate vor seinem Tod wusste
Kobayashi Sensei, dass er bald sterben würde und hatte seinen Schülern noch eine letzte Botschaft
hinterlassen. Anlässlich des Gedächtnislehrgangs zu Ehren von Kobayashi Sensei wurde die Botschaft mit
einem Brief von Kobayashi Sensei`s Frau Kiyoe Kobayashi (Osaka) von G.P. Savegnago, 7. Dan, aus Cornedo, vorgelesen.